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Die japanische Bambusflöte Shakuhachi
Das Instrument aus der Familie der Kerbflöten wird über eine Anblaskante zum Klingen gebracht. Die verschiedenen Tonhöhen werden durch Öffnen und Decken von fünf verschiedenen Löchern, durch verschiedene Kopfhaltung (meri-kari) und durch unterschiedlichen Blasdruck erzeugt.
Der Name Shakuhachi bezeichnet die Länge des Instrumentes. (Shaku = Fuss, Hachi= acht , bedeutet daher: ein Fuss acht = 54 cm).
Als Material wird in der Regel Bambus verwendet. Aus preislichen und praktischen Gründen werden auch Instrumente aus Holz, "Sperrbambus" (wie Sperrholz verleimte Schichten aus Bambus) und aus Plastik und Plexiglas gefertigt.
Das Instrument wird in verschiedenen Ausführungen, die sich in der Form der Anblaskante, dem Durchmesser und der Bearbeitung des Rohrs unterscheiden (je nach Stilrichtung und Verwendungszweck) und in verschiedenen Längen gebaut.
Das Bauen des Instrumentes ist ein hochkomplexer und handwerklich sehr aufwendiger Prozess:
Roher Bambus mit der richtigen Länge, Dicke und mit schönen Proportionen wird getrocknet, mehrere Jahre gelagert und danach erst bearbeitet.
Das Instrument wird nach der groben Fertigung fein von Hand intoniert, damit die Stimmung und der Klang optimal zur Geltung kommen. Mit dem Füllmaterial urushi wird das Rohr ausgestrichen und schlussendlich lackiert. Grosse Sorgfalt verwendendet der Bauer auf das Einarbeiten der Anblaskante aus Horn.
Eine bedeutende Rolle spielt neben dem Klang auch die äussere Aestethik: Der Abstand der Nodien, der Wachstum und die Zeichnung des Bambus, die richtige Länge und Dicke, die schöe Krümmung usw. machen neben dem ausgewogenen typischen Klang das perfekte Instrument aus.
Die Shakuhachi ist ein handgefertigter Kunstgegenstand daher wird auch ein hoher Preis dafür verlangt.
Heute werden Instrumente auch industriell hergestellt.
Das Instrument kam ursprünglich aus China. Schon dort gab es vermutlich in der Tang-Zeit im 7.-9. Jh. Verbindungen zum Buddhismus. In Japan tauchen die ersten Längsflöten aus Jade, Stein, Elfenbein und Bambus, von denen noch spielbare Instrumente erhalten sind, im Hoforchester Gagaku im 8. Jh auf. Über die Musik, welche gespielt wurde, scheint wenig bekannt zu sein. Zwischen 9. und 12. Jh. wird über die Verwendung des Instrumentes als Hofinstrument berichtet. Die Shakuhachi war daher nur den Hofleuten und den hohen buddhistischen Priestern zugänglich. Im Mittelalter (ab dem 13. Jahrhundert) wurde das Instrument vermehrt von wandernden Bettelmönchen gespielt. Nach den Bürgerkriegen und grossen sozialen Umwandlungen im 16. Jh. wurde ein Orden von Bettelmönchen gegründet, der sich auf den Zenmeister Fuke bezog und dessen Wahrzeichen die Strohmatte und die Shakuhachi wurde. Fuke war ein Wandermönch in China im 9. Jh., der mit einer Glocke seine Rezitation begleitete. Einer seiner Anhänger (Chohaku) versuchte, das Spiel der Glocke und die Rezitation mit einer Flöte nachzuahmen. So entstand, der Legende nach, das Stück Kyôtaku. Chohaku gab das Stück seinen Schülern weiter.
Im 13. Jahrhundert kam der japanische Mönch Gakushin nach Studien in China zurück nach Japan und brachte die Flöte Shakuhachi und die darauf gespielte Musik mit. Andere Stücke, wie z.B. Mukaiji (Flöte an nebligem See) und Kokû (Flöte im Leeren Himmel) wurden von einem Schüler von Gakushin, Kichiku aus Eingebung der Natur, komponiert. Diese Stücke bilden bis heute das Basisrepertoire der sogenannten zentralen Hauptstücke (Honkyoku) der alten Schulen. Neben den auf die religiösen Wurzeln sich stützenden Richtungen des Shakuhachispiels (Honkyoku) werden bis heute weltliche kammermusikalische Stile (Gaikyoku, Sankyoku) gepflegt.
Die Musik der Shakuhachi kann vereinfachend als extrem verlangsamte Melodien aufgefasst werden. Durch die Verlangsamung werden die Töne und die Zeit zwischen den Tönen länger. In dieser "langsamen" Zeit findet eine hohe Differenzierung des Tonverlaufs und der Tonverbindung Raum; der Ton an sich und das "Zwischen den Tönen" wird extrem sorgfältig gepflegt. Die Melodien sind recht einfach, die darin sich äussernde Musik jedoch hoch komplex. Die Empfindung für den richtigen Klang, den richtigen Verlauf, das richtige Timing, die richtige Verbindung wird geschult. Was bedeutet nun in diesem Zusammenhang "richtig".? Einerseits wird die Musik streng von Lehrer zum Schüler traditionell verbindlich vermittelt (stilrichtig), andrerseits hat die Musik eine nur erfahrbare Stimmigkeit, eine sich selbsterklärende Richtigkeit, die vielleicht mit natürlich wirkende Absichtslosigkeit angedeutet werden kann. Die Musik ist in einer eigenen Griffnotation festgehalten, die verschiedene Spielinformationen enthält. Der wesentliche Teil der Musik wird direkt, vom Lehrer zum Schüler weitergegeben.
In den beiden Referaten
«Begegnung Ost und West» erfahren Sie mehr über die Interaktion zwischen der östlicher und westlicher Praxis und der Auffassung von Flötenmusik und im
«Atem Ton Ruhe» können Sie mehr über die persönliche Begegnung mit der Shakuhachi lesen.
Japanische Musik
In den meisten Kulturen ist die Musik der Trommelns und des Rhythmus' ein erster Zugang. Der urtümliche Zusammenhang zwischen Trommeln und Tanz und zwischen Trommeln und Ritual ist allen Kulturen vorhanden und damit etwas grundlegend Menschliches. Die Trommel, häufig auch Stimme der mächtigen Gottheit oder Stimme des Menschen zur Gottheit mag auch für uns den Einstieg in die japanische Musik erleichtern.
Die Shakuhachi in Europa
Die Shakuhachi wurde in den letzten Jahren zuerst in den Kreisen der an der japanischen Kultur interessierten Menschen bekannt. Daneben werden immer mehr Menschen von dem unmittelbar berührenden Klang des Instrumentes bewegt, lassen sich von der ruhigen Musik zum eigenen Inneren leiten, oder werden von der Differenziertheit des Ausdrucks inspiriert.
Die intensive praktische Beschäftigung mit einer fremden Kultur ermöglicht einerseits eine Annäherung an diese durch Tun und Erfahrung und andrerseits lässt dies auch die eigene Kultur in einem anderen Lichte erscheinen. So kann durch das Üben von Musik eine Brücke zum Üben des Atmens, zum Üben des Sitzens, zum Üben an sich gebaut werden. Es lassen sich zentrale Punkte der östlichen meditativen Praktiken erahnen. Es wird aber auch ein anderes Licht auf die europäische Art des Übens geworfen. Der intensiv übende Mensch, ob er sich im Sport, in der Kunst, im Alltag übt: ist er nicht ein meditierender Mensch?
Die anfängliche Fremdheit der japanischen Musik, die uns aber dennoch berühren kann, wandelt sich langsam zu etwas Vertrautem. Die Spannungen und Auflösungen, die Intensität der Musik können allmählich empfunden werden, das Verstehen-wollen weicht dem Erfahren-können.
Die Musik ist ein universales Phänomen. Überall auf der Welt werden die Menschen durch Musik berührt, drücken sich durch Musik aus. Es scheint Elemente zu geben, die aller Musik der Welt gemeinsam sind, die ermöglichen, dass sich Menschen verschiedenster Kulturen von verschiedenster Musik berührt fühlen. Und es gibt für die jeweilige Kultur sehr spezifische Elemente, die unverwechselbar einmalig sind und für andere Kulturen schwerer oder überhaupt nicht zugänglich sind. Die Beschäftigung mit einer fremden Kultur ist immer mit diesen beiden Seiten verbunden. Man findet das Eigene wieder im Fremden und versucht, das Fremde sich zu eigen zu machen.
Für mich selbst ist die Begegnung mit der Shakuhachi eine immer wieder herausfordernde Arbeit. Aus der anfänglichen Berührung wurde eine intensive Auseinandersetzung. In der fremden Musik wurde Vertrautes gefunden und Fremdes vertraut. Das eigene Musikmachen als Interpret, Improvisator oder Komponist wurde wesentlich durch die Musik der Shakuhachi beeinflusst. Das notwendige Üben bekommt neue, weite Dimensionen. Ein persönlicher Weg, der anfänglich komplett unbekannt war, sich rückbblickend als folgerichtig zeigt und wieder ins unbekannte Offene weiterführt.
